| |

Wie man Landebahnen plant – und warum das so lange dauert

Screenshot, Karte, Text

In diesem Beitrag der Reihe Fliegen Erklärt möchte ich auf das Thema Landebahnen eingehen. Diese sind ein zentraler Bestandteil eines jeden Flughafens und sorgen regelmäßig für Ärger wegen Anwohnerbeschwerden, Baumängeln und explodierenden Projektkosten und Planungsdauern. Dabei ist eine Bahn doch nur ein ein bisschen Asphalt auf einem planierten Untergrund – oder nicht?

SWISS A320 Business Class
SWISS A320 Business Class

Die Orientierung der Bahn

Nahezu alle Flughäfen der Welt werden nach den Anforderungen der ICAO zertifiziert. Für alle Länder, die das Abkommen von Chicago unterzeichnet haben, gilt nämlich der Annex 14. Dort werden Standards and Recommended Practices definiert, die in vielen Ländern dann sogar ins nationale Recht übernommen worden sind.

Neben Bemaßungen, Abständen, Beschriftungen usw. ist der erste und wichtigste Punkt bei der Planung die Orientierung der Bahn. Laut Annex 14 muss ein Flughafen mindestens 95% seiner Betriebszeit einen Start- und Landebetrieb ermöglichen, der nicht durch Seitenwinde eingeschränkt wird. Außerdem starten Flugzeuge immer gegen den Wind. Die Landebahnkonfiguration des Flughafens ist so zu wählen, dass das erfüllt ist. Bei neuen Flughäfen muss man dazu natürlich erstmal Winddaten über einen längeren Zeitraum sammeln (mindestens ein Jahr lang) und auswerten, was seine Zeit dauert.

Diagramm, Kreis, Text, Reihe, Screenshot, parallel, Zahl

Dann sucht man sich für die zu erwartenden Flugzeuge die maximal zulässige Seitenwindkomponente. Diese wird von der ICAO für diverse Flugzeugkategorien vorgegeben und hängt von der Reference Field Length des Flugzeugs ab. Die Reference Field Length ist die minimal notwendige Startstrecke des vollbeladenen Flugzeugs in Standardkonditionen, also ohne Wind, ohne Gefälle, bei ISA-Temperaturen und auf Meereshöhe. Limitierend sind hier die kleinsten Flugzeuge. Die gemessenen Winde trägt man in eine Windrose ein und versucht eine Achse (gestrichelte Linie) zu finden, wo die maximal zulässigen Seitenwinde (dicke Linien) 95% der gemessenen Winde abdecken. Früher waren dazu oft mehrere gekreuzte Pisten nötig. Heute können Flugzeuge jedoch größere Seitenwindkomponenten ab, sodass oft auch eine Piste reicht.

Die Planung der Orientierung hört aber nicht hier auf. Andere Faktoren sind zum Beispiel:

  • Kosten für Geländeeinebnung, Meeraufschüttung etc.
  • An- und Abflugrouten (Eingliederung in bestehendes Luftstraßennetz, Lärmteppiche)
  • Geographische Hindernisse wie Berge
  • Schutzzonen
  • Rücksicht auf bestehende Infrastruktur und zukünftliche Entwicklungen

Die Pisten werden dann auf Basis ihrer Orientierung benannt. Eine Bahn, deren Achse nach 336° zeigt, wäre die 34. Die andere Richtung der Bahn, logischerweise um 180° gedreht, wäre die 16. Es wird also auf 10° gerundet und dann die letzte Ziffer gestrichen. Bei mehreren parallelen Pisten können die Suffixe L (Left), C (Center) und R (Right) hinzugefügt werden. Achtung: Referenz bildet hier der Magentische Norden. Da sich dieser kontinuierlich verschiebt, ändern sich auf die Bahnnamen ab und an. Bei Flughäfen, die sich nahe an den Polen befinden, können die Bahnen auch in Bezug auf den Geographischen Norden benannt werden. So muss man die Piste nicht andauernd neu benennen. Der Nummer wird dann das Suffix T für True Heading hinzugefügt.

Weitere Planung der Bahn

Weiter geht’s in der Planung. Es fehlen noch die physichen Dimensionen der Bahn, die Definition der einzelnen Start- und Landebahnen und die Planung der dazugehörigen Rollwege.

Die physischen Dimensionen werden auch von der ICAO empfohlen. Für die Breite gibt es eine Matrix bestehend aus der Outer Mean Gear Wing Span (OMGWS – Distanz zwischen den Außenseiten der Räder Hauptfahrwerks) des Flugzeugs und der ICAO-Klassifizierung des Flugzeugs, welche wieder von der Reference Field Length des Flugzeugs abhängt. Limitierend ist das größte Flugzeug. Landebahnen können gerne mal 60m breit werden, was in etwa einer 16-spurigen Autobahn entspricht. Zusammen mit den Lasten, die die Bahn tragen muss, ergibt sich daraus auch der notwendige bauliche Aufwand hinsichtlich scheinbar trivialen Dingen wie Wasserabfluss.

Auch für die Planung der Länge der Bahn kann man sich wieder an der Reference Field Length orientieren, muss dann aber für die wirklichen Bedingungen am Flughafen hochrechnen. Hoch gelegene Flughäfen wie Bogotá brauchen beispielsweise eine längere Startbahn, weil die Triebwerke dort nicht die gleiche Leistung bringen wie auf Meereshöhe.

Man muss sich bewusst sein, dass eine physische Piste aus operativer Sicht eigentlich vier Bahnen darstellt. Schließlich kann man in beide Richtungen landen und starten. Die verfügbaren Distanzen müssen nicht immer der physischen Länge der befestigten Bahn entsprechen. Die standardmäßig ausgegebenen Distanzen sind:

  • TORA (Takeoff Run Available): Die Strecke der Bahn, die für den Startlauf freigegeben ist
  • TODA (Takeoff Distance Available): TORA + Clearway, falls vorhanden
  • ASDA (Accelerate-Stop Distance Available): TORA + Stopway, falls vorhanden
  • LDA (Landing Distance Available): Die Strecke der Bahn, die für die Landung freigegeben ist

Eine Clearway ist dabei die Zone hinter einer Bahn, die frei von Hindernissen ist, um das Flugzeug kurz nach dem Abheben zu schützen. Eine Stopway ist eine definierte Zone, die dem Flugzeug im Falle eines Startabbruchs beim Bremsen hilft. Diese Zonen werden im AIP (Aeronautical Information Publication) definiert und sind nicht wirklich ersichtlich, wenn man bei Google Maps auf eine Landebahn schaut.

Gerade in Bezug auf diese Definitionen wird viel herumgeschoben und zurechtgebogen, um die Richtlinien zu erfüllen. Dabei sind besondere Markierungen behilflich, die ihr vielleicht schon mal auf einer Landebahn gesehen habt:

Karte, Screenshot, Reihe, draußen

Die Landebahn 17 in Santiago de Compostela hat eine versetzte Schwelle. Die Landebahn fängt nämlich erst dort an, wo die gestrichelte Linie vor der Nummer 17 ist. Das, was davor kommt, darf nicht zur Landung genutzt werden. Für den Start auf der Startbahn 17 darf dieser Teil aber schon genutzt werden, was durch die weißen Pfeile angezeigt wird. Warum macht man das? Hauptsächlich dient das der Optimierung der Anflugrouten hinsichtlich Lärmbelästigung oder anderen Umweltthemen. Dann setzt man den Aiming Point und die Landebahnschwelle eben so, wie die Anflugrouten passen. Gelegentlich kann es auch operative Gründe haben, beispielsweise um bei einer Bahn mit weit hinten liegenden Abrollwegen bei der Landung die Zeit zu reduzieren, die das Flugzeug auf der Bahn verbringt.

Dann gibt es noch den Bereich mit den gelben Pfeilen. Dieser darf weder für den Start noch für die Landung auf der Bahn 17 genutzt werden. Er könnte aber Teil der Stopway der gegenüberliegenden Bahn 35 sein.

Dazu kommt noch die Planung der Rollwege. Die meisten Bahnen haben Parallelrollwege, oft mit Warteflächen zum Ordnen der Startreihenfolge. Landebahnen ohne parallelen Rollweg haben an den Enden spezielle Flächen zum Wenden. Da man daran interessiert ist, dass die Flugzeuge möglichst wenig Zeit auf der Bahn verbringen, baut man oft Schnellabrollwege. Für diese empfiehlt die ICAO einen Winkel von 30° zur Landebahn, um ein zügiges Abrollen zu ermöglichen. Je nach Verkehrsaufkommen kann man für diese Schnellabrollwege Optimalpunkte berechnen, wobei natürlich noch Rücksicht auf die bestehende Infrastruktur genommen wird. Zum Beispiel könnte man den Weg etwas versetzt vom Optimalpunkt hinsetzen, wenn er sich so nahtlos in das Rollwegsystem einpasst.

Ein paar interessante Beispiele

Der Flughafen von Valencia hat eine scheinbar normale Bahn 30. Auch hier ist die Landebahnschwelle 30 verschoben und es gibt eine Zone, die weder für Start noch Landung auf der Bahn 30 verfügbar ist und Teil der Stopway der gegenüberliegenden Bahn 12 sein könnte. Wenn man genauer hinschaut, sieht man, dass das nicht immer so war. Man kann noch die alten Markierungen durchschimmern sehen, die Landebahnschwelle 30 war nicht immer versetzt.

Verkehrsknotenpunkt, Kreuzung, Transportkorridor, Karte, Straße, Infrastruktur, Städtebau, draußen, Spaghetti-Kreuzung

Warum das geändert wurde, weiß ich nicht. Es zeigt uns aber eine ganz interessante Folge, nämlich die Verschiebung des Haltepunktes. Dieser wird nämlich so gesetzt, dass sich auf den Start wartende Flugzeuge außerhalb eines gewissen Schutzbereiches befinden. Der Schutzbereich bildet ein sich nach hinten öffnendes Rechteck ab dem Aiming Point (also dem Punkt, den die Flugzeuge zum Touchdown anvisieren). Das schützt einerseits die Flugzeuge untereinander, indem eine gewisse Distanz sichergestellt wird, falls ein Flugzeug im Anflug wegen Windböen etc. von der Mittellinie abweicht. Andererseits schützt es aber auch das anfliegende Flugzeug vor Interferenzen und Sichtblockierungen zwischen Landehilfen und wartenden Flugzeugen. Landehilfen wie der ILS-Sender mit dem Gleitpfad und der visuellen PAPI-Anzeige befinden sich nämlich auf der Höhe des Aiming Points. Dazwischen darf dann kein Flugzeug stehen, sodass hier in Valencia der Wartepunkt verschoben werden musste. Die alten Haltepunkte A für die alte, blau schraffierte Schutzzone wurden ausgegraut. Stattdessen gibt es einen neuen Haltepunkt für die neue, grüne Schutzzone, den ich mit B markiert habe.

Karte, Screenshot

In Madrid-Barajas hat die Bahn 18L/36R (im Bild oben) keinen parallelen Rollweg, die Parallelbahn 18R/36L dagegen schon. Was hat das für einen Grund?

Karte

Nun, in Madrid gibt es nur zwei Konfigurationen, in denen der Flughafen betrieben wird: Nord und Süd. Wie ihr im Bild unten unschwer erkennen könnt, gibt es bei diesen beiden Konfigurationen gar keine Notwendigkeit für einen parallelen Rollweg auf dieser Bahn. Gelandet wird nur nach Süden, wo sich eh das Terminal befindet, und gestartet wird nur nach Norden, sodass man nicht zum nördlichen Ende der Bahn rollen muss. Einzig für die selten vorkommenden Startabbrüche hat man hinten eine Wendeplattform gebaut.

Text, Karte

Die Parallelbahn 18R/36L hat dagegen einen Rollweg, weil sie viel früher gebaut worden ist als es diesen ausschließlichen Nord-Süd-Betrieb mit vier Bahnen noch nicht gab. Die beiden östlichen Bahnen kamen erst später als Expansion dazu. Dieses Beispiel zeigt ganz gut, dass man beim Planen einer Bahn immer das operative Umfeld berücksichtigt.

Der Flughafen von Palma de Mallorca hat zwei versetzte Parallelbahnen. Hier ist es üblich, die jeweils vorgezogene Bahn zur Landung zu benutzen. Erstens überfliegt man so in der besonders kritischen Endanflugsphase weniger Flughafengelände und zweitens reduziert man so beim Parallelbetrieb die Strecke, in der sich Startlauf und Landelauf der parallel operierenden Flugzeuge überlappen.

Screenshot, Karte, Text

Dass dieser Betrieb tatsächlich so geplant ist, sieht man zum Beispiel an den Abrollwegen. Der gelb markierte Schnellabrollweg, der übrigens schön direkt zum Terminal führt, zeigt deutlich an, in welche Richtung dort gelandet wird.

In Coruña sieht man ein schönes Beispiel für eine Wendefläche am Ende der Bahn. Hier kommt noch dazu, dass die Bahn verkürzt wurde. Die alten Markierungen sieht man auch hier noch durch. Die Landeschwelle ist gar nicht mal so weit verschoben worden. Das lässt darauf schließen, dass man quasi nur die verfügbare Startstrecke TORA verkürzt hat. Auch die Wendefläche wurde neu angelegt, der nun nicht mehr benutzbare Teil mit Kreuzen ungültig gemacht.

draußen, Karte, Baum, Städtebau, Luftfotografie, Verkehrsknotenpunkt, Kreuzung, Screenshot, Gras

Wie ihr seht, ist das ein sehr interessantes und umfangreiches Thema. Darüber könnte man noch viel mehr schreiben, aber irgendwo muss man einen Blogeintrag dann auch limitieren. Ich hoffe, ich konnte euch das Thema Landebahnen etwas näher bringen!

Wie immer gilt: Fragen und Anregungen sind willkommen!

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.