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Wie sich Air Berlin verabschiedet hat

Air Berlin A330 Business Class

Dass Air Berlin insolvent ist, haben wir mittlerweile alle mitbekommen. Inzwischen hat die Airline ihren Flugbetrieb eingestellt. Der letzte Linienflug der Air Berlin war AB6210, der am 27.10.2017 um 23:45 in Berlin-Tegel gelandet ist. Auch wenn Niki vorerst unter eigenem Namen weiterfliegt, ging letzten Freitag eine Ära der deutschen Luftfahrt zu Ende. Es ist Zeit, die letzten Monate der Air Berlin Revue passieren zu lassen. Wie haben sich die Airberliner verabschiedet?

Air Berlin A330 Business Class
Air Berlin A330 Business Class

Der Schock am 15. August

Die Nachricht kam sowohl für Außenstehende als auch für die meisten Beschäftigten überraschend: Am 15.08.2017 verkündete Air Berlin, dass sie einen Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung stellen würde. Noch kurz davor kündigte man neue Partnerschaften an und plante den Ausbau der European Business Class. Fakt ist, dass Air Berlin schon seit geraumer Zeit nur von Finanzspritzen vom Großaktionär Etihad in der Luft gehalten wurde. Nach immer schlimmeren Quartalszahlen blieb dann im August eine Tranche von 50 Mio. € aus und die Berliner mussten Insolvenz anmelden.

Die Lufthansa hatte sich schon länger auf eine mögliche Insolvenz der deutschen Nummer Zwei vorbereitet. So fanden bereits Gespräche zwischen Etihad, Angela Merkel und Carsten Spohr statt. Die Personalie Thomas Winkelmann ist durch die Lufthansa-Vergangenheit des Air Berlin CEOs auch etwas suspekt. Durch das Wet-Leasen der 38 A320 für Eurowings und dem Zahlen der Leasingraten weit im Voraus hat sich der Kranich auf einen Schlag zu einem der Hauptgläubiger gemacht. Mit der Gründung der Air Berlin Aeronautics sollten wohl Flugzeuge aus der Air Berlin ausgelagert werden, um bei einer Übernahme einen Betriebsübergang elegant zu vermeiden. Alles war geschickt eingefädelt, aber die Insolvenz kam für Lufthansa doch zu früh, schließlich war unter anderem die Aeronautics noch nicht fertig.

Goodbye, USA!

Was genau hinter den Türen ablief, wird hoffentlich aufgearbeitet. Viele Medien sprechen immerhin von einem der größten Wirtschaftskrimis der jüngeren Vergangenheit. Für die Air Berlin ging es zunächst weiter: Der Flugbetrieb wurde mit einem Überbrückungskredit der KfW-Bank zunächst aufrecht erhalten. Die Mitarbeiter ließen sich es in den ersten Wochen zumindest äußerlich nicht wirklich anmerken. Innerlich dürften aber die meisten Angestellten Sorgen um ihre berufliche Zukunft gehabt haben.

Einige Wochen nach der Insolvenzverkündung begann das wilde Streichen von Flügen. Durch Probleme mit Leasinggebern der Flugzeuge, Pilotenstreiks und wahrscheinlich auch den Bargeldbeständen wurden Frequenzen ausgedünnt und Ziele ganz aus dem Flugplan genommen. Bei den Passagieren wurde die Verunsicherung immer größer: Was passiert mit meiner ausstehenden Buchung? Wie genau werden die Partner wie Etihad und Oneworld-Airlines mit Air Berlin Tickets und Topbonus-Statusvorteilen umgehen?

Die Hotlines bei Air Berlin arbeiteten auf Hochtouren die Umbuchungen und Stornierungen ab, waren aber teilweise auch nicht mit verlässlichen Informationen oder Befugnissen versorgt. Zumindest für die Langstrecke konnten bald verlässliche Aussagen gemacht werden: Zum 25.09.2017 stellte Air Berlin alle Langstreckendienste ein, um die letzten A330 an die Leasinggeber zurückzugeben. Die Piloten der aus Miami kommenden Maschine verabschiedeten sich mit einem Dirty Low Pass und anschließendem Go-Around im Tiefflug über das Düsseldorfer Terminal:

#BER4EVR

Im späten September und Oktober wurden die Streichungen immer weitreichender. Irgendwann stand nur noch ein Rumpfnetz aus innderdeutschen und ein paar europäischen Rennstrecken wie DUS-ZRH. Die Verhandlungen mit möglichen Käufern machten währenddessen Fortschritte. Was zwar für Aktionäre und unmittelbar betroffene Fluggäste gute Neuigkeiten gewesen sind, stieß bei vielen Airberlinern auf Widerstand: Eurowings will auf jeden Fall einen Betriebsübergang vermeiden und sieht vor, dass sich alle Angestellten neu bewerben müssen und angeblich zu deutlich schlechteren Konditionen eingestellt werden – wenn überhaupt, denn für viele Angestellte in der Technik und Verwaltung sieht es eher mau aus.

Der Niedergang war aber nicht mehr aufzuhalten. Am 27.10. sollte dann der letzte Flug stattfinden. AB6210 MUC-TXL bekam das passende ICAO-Callsign BER4EVR. Boardingpässe waren mit Abschiedsgrüßen versehen, die Stimmung an Bord war sentimental. Die Maschine wurde in Tegel mit Wasserfontänen und von hunderten Airberlinern und Schaulustigen empfangen, die Passagiere wurden beim Aussteigen bejubelt und durften auf der Tür des A320 unterschreiben. Bei YHBU gibt es eine tolle Zusammenstellung von Youtube-Links und Bildern. Auf Youtube kursieren mittlerweile die ersten Tribute Videos:

Was kommt jetzt?

Das Herz der Airline mit dem Schokoherz hat aufgehört zu schlagen. Für etwa 6000 der 8000 Mitarbeiter wurde laut Air Berlin eine Anschlussbeschäftigung gefunden. Zu welchen Konditionen und wo genau, bleibt unklar. Einige werden wohl bei Eurowings enden, die ihre Präsenz weiter ausbaut. Andere wechseln sicher zu Easyjet, die 25 Flugzeuge übernimmt und damit in Berlin zur Nummer Eins aufsteigt. Für einen Teil der Airberliner wird das Kapitel Luftfahrt in ihrem Berufsleben aber wohl beendet sein: Anscheinend will der Berliner Senat Stellen in der Berliner Verwaltung mit AB-Personal besetzen.

Für uns Fluggäste bleiben die Erinnerungen an Air Berlin, ob sie nun gut oder schlecht waren. Der deutsche Luftverkehrsmarkt wird sich mit dem weiteren Wachstum von Easyjet und Eurowings weiter in Richtung Low Cost entwickeln. Es bleibt zu hoffen, dass die Lufthansa durch Easyjet auch innerdeutsch Konkurrenz bekommt. Für die Standorte Düsseldorf und Berlin bedeutet das Ende von Air Berlin zunächst große Einschnitte, die aber wohl mittelfristig durch neue Flugverbindungen seitens Eurowings, Easyjet usw. ausgeglichen werden dürften. Lediglich die Langstreckenverbindungen (vor allem ab Tegel) werden so schnell nicht wiederkommen, zumindest nicht in dem Ausmaß.

#BER4EVR

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