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Fliegen Erklärt: Warum sind Flugzeugsitze eigentlich so teuer?

Air Canada 787 Business Class

So ein Slimline Economy Sitz ist unbequem. Die Rückenlehne ist hart, der Sitz ist schmal und der Abstand zum Vordermann ist viel zu klein. Wenn man hört, dass so ein Sitz 2000-3000 USD kostet, kann man es kaum glauben. Warum das so ist, erkläre ich euch in diesem Beitrag der Kategorie Fliegen Erklärt, in der ich als angehender Ingenieur der Luftfahrttechnik Fragen rund um die Fliegerei beantworte. Bisher bin ich auf Winglets eingegangen und habe erläutert, warum Triebwerke meist unter dem Flügel hängen. Heute geht es also mal um Flugzeugsitze!

Leere Lufthansa Kabine
Leere Lufthansa Kabine

Wer baut eigentlich die Sitze?

Man möchte meinen, ein Flugzeughersteller wie Airbus oder Boeing verkauft dem Kunden ein komplettes Flugzeug inklusive Innenausstattung. Ganz so einfach ist es nicht. Schließlich hat jede Airline andere Vorstellungen und Anforderungen an ihre Kabinen: Ryanair möchte einfach nur so viele Menschen wie legal möglich in ihre Boeing 737 quetschen, Qatar Airways ist für allerhöchste Ansprüche bekannt. In der A380 wollte eine Airline aus dem Mittleren Osten sogar einen Wasserfall einbauen… Die Hersteller müssen also eine Vielzahl an Kabinen anbieten. Bisher wurde dazu jeder Airline ein Customer Code zugewiesen, sodass eine 737-800 der Ryanair offiziell 737-8AS heißt (AS für Ryanair). Der Costumer Code sagt letztlich nur aus, welche Innen- und Sonderausstattung verbaut wurde. Bei der 787 hat man damit gar nicht erst angefangen und auch bei der 737 wird man damit anscheinend bald aufhören. Ist ja auch irgendwie nicht besonders aufschlussreich.

Aber zurück zu den Sitzen: Die entwickeln nämlich in der Regel weder Airbus noch Boeing. Vielmehr arbeitet man mit spezialisierten Firmen wie Recaro oder Zodiac Aerospace zusammen. Ein Kunde kauft dann seine Sitze meist direkt bei diesen Zuliefererfirmen. Wenn man einen guten eigenen Technikbetrieb hat, kann man auch mit einem Zulieferer zusammen einen Sitz entwickeln. Idealerweise haben Airbus, Boeing und Co. bereits vorher mit der Sitzfirma zusammengearbeitet. Schließlich muss der genaue Sitz in das genaue Flugzeug eingebaut werden können und auch zugelassen sein. Und genau dort liegt der Hase im Pfeffer…

Wie wird ein Sitz entwickelt?

Aus nachvollziehbaren Gründen möchte eine Airline gerne nur ein Sitzmodell für alle Flugzeugtypen ihrer Flotte kaufen. Konsistentes Produkt für den Kunden nennt man das. Das wird ein bisschen dadurch erschwert, dass eine 747, 767, 777, ein A330/340, A380 und A350 alle andere Rumpfdurchmesser haben. Das sind alles Flugzeuge der Lufthansa Group, die ja irgendwann mal eine einheitliche Business Class haben will. Und der Rumpfdurchmesser ist ja nur die Spitze des Eisbergs. Bei der 747 kommt das Oberdeck hinzu. Dann kommt die unterschiedliche Anbindung an die Bordsysteme (Elektrik, Entertainment usw.) hinzu. In einer 787 muss man in der Business Class eventuell die Fenster über den Sitz steuern können. In der First Class werden die Ansprüche noch höher. Die Anpassung eines Sitzes an alle Flugzeugmuster in der Flotte kann also teuer werden.

Lufthansa Business Class (via lufthansa.de)
Lufthansa Business Class (via lufthansa.de)

Dazu kommt noch, dass die Sitze so leicht wie möglich gebaut werden müssen. In einem A320 mit 180 Sitzen macht ein um 1kg leichterer Sitz das ganze Flugzeug schon mal 180kg leichter. Das hilft Treibstoff zu sparen (oder mehr Nutzlast aufzunehmen). In der Luftfahrtbranche wird sehr viel Geld für Massenreduktionen ausgegeben. In der Luftfahrt ist man bereit, pro eingesparten kg bis zu 500€ auszugeben, weil man dieses Geld durch den geringeren Treibstoffverbrauch wieder reinholt. In der Automobilindustrie reden wir nur noch von 3-7€/kg. Ein neuer Flugzeugsitz könnte also pauschal 500€ teurer sein als sein um 1kg schwererer Vorgänger und es wäre immer noch wirtschaftlich, ihn zu kaufen. Diese Kosten werden aber auch in der Entwicklung gebraucht. Immerhin muss so ein Sitz bei allem Leichtbau ja noch alle Zulassungstests bestehen.

Wie wird ein Sitz zugelassen?

In der Luftfahrt muss alles zugelassen werden. Zulassungstests können schnell langwierig und teuer werden, weil man grundsätzlich alles entweder per Test oder per Analyse (wenn man diese auf Tests ähnlicher Sitze basieren kann) nachweisen muss. Für große Verkehrsflugzeuge wie sie Airbus oder Boeing bauen, gilt in Europa die EASA CS-25. Das CS steht für Certification Specification. In diesem 600-seitigen Dokument ist penibel aufgelistet, was genau nachgewiesen werden muss.

via messynessychic.com
via messynessychic.com

Für Sitze ist zum Beispiel §562 interessant: Emergency landing dynamic conditions. Dort steht, dass so ein Sitz im Falle eines Crashes gewisse Lasten aufnehmen muss und dabei den Menschen schützen muss. Im Falle eines Frontalunfalls muss der Fußboden mindestens 16G aufnehmen können. Der Sitz darf sich dabei nicht von der Bodenbefestigung lösen. Beim Mensch im Sitz dürfen je nach Körperstelle nur noch zwischen 680kg und 794kg Last ankommen. Ihr könnt euch vorstellen, dass dafür eine ganze Menge Entwicklungsarbeit aufgewendet werden muss. Besonders die Verbindung zwischen Fußboden und Sitz ist kritisch. Daher sind Sitze immer auf Schienen befestigt. Diese sind nicht einfach nur auf den Fußboden geklebt, sondern wegen dieser Unfallanforderungen strukturell stragende Teile. Stattdessen ist der Fußboden nur auf diese Tragschienen geklebt und trägt strukturell nur die Menschen, die direkt auf den Platten stehen. Ganz so einfach ist es also nicht, einfach mal die Sitze zu verschieben.

Und die Herstellung?

Die ist in der Regel gar nicht so teuer. Größenteils sind es die Entwicklungskosten, die Sitze so teuer machen. Man gibt sehr viel Geld für Leichtbau aus, muss gleichzeitig aber auch sehr harte Zulassungskriterien erfüllen. Und der Sitz soll möglichst in zehn völlig verschiedene Flugzeugtypen eingebaut werden können. Da landet man auch bei einem unbequemen Economy Sitz schnell bei 2000 USD oder mehr. Business Class Sitze kosten in der Regel zwischen 25.000 USD und 35.000 USD. In der First Class gibt es kaum Limits. Der höchste Preis, den ich gesehen habe, liegt im gar nicht mal tiefen sechsstelligen Bereich – pro Sitz.

Wenn euch irgendwelche Fragen auf dem Herzen liegen oder irgendwelche Themen brennend interessieren: Ich bin für Vorschläge immer offen!

 

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