United-Passagiere nach medizinischem Notfall für 16 Stunden in kalter 777 gefangen
Die kanadische Kleinstadt Goose Bay bekommt öfter Besuch von Widebody-Flugzeugen als man es erwarten würde. Der in Neufundland gelegene Ort wird regulär nur von Regionalfluggesellschaften bedient, aber wegen seiner Lage oft als Ausweichflughafen für (medizinische) Notfälle und ungeplante Tankstops auf Transatlantikflügen genutzt. Als Militärstützpunkt hat Goose Bay auch die notwendige Infrastruktur, das Personal und das Equipment dafür.
Gestrandet in Goose Bay, gefangen im Flugzeug
Gestern traf es die Passagiere des Flugs UA179 von Newark nach Hongkong. Wegen eines medizinischen Notfalls an Bord musste die Maschine über Grönland umdrehen, um den betroffenen Passagier in Goose Bay abzusetzen, wo er medizinisch versorgt werden sollte. Wenn einen das Glück verlässt, kommt aber meistens auch noch Pech dazu: Bei den Startvorbereitungen nach dem Ausladen des betroffenen Passagiers wurde festgestellt, dass sich die Notrutsche an einer Tür der 777-200ER nicht wieder aktivieren ließ. Die am Flughafen arbeitenden Mechaniker haben natürlich weder die Ausbildung noch die Ressourcen, um eine 777-Tür zu reparieren.
Zwar hätte die Maschine wahrscheinlich wegen der maximal erlaubten Arbeitszeit der Crew nicht nach Hongkong weiterfliegen können, aber die Passagiere hätten immerhin zurück nach Newark gebracht werden können. United hatte zwar inzwischen einen Rettungsflug als UA2758, durchgeführt von einer Boeing 777-200ER, mit einer neuen Crew und Mechanikern aus Newark losgeschickt. Die 250 Passagiere aber mussten insgesamt 16 Stunden an Bord der gestrandeten Maschine verweilen.
Da um diese Uhrzeit keine Zollbeamten mehr anwesend waren, durften die Passagiere nicht aussteigen. Nur ältere Fluggäste durften sich im Bereich vor der Zollkontrolle die Beine vertreten. Der Großteil aber musste an Bord bleiben. Bei -30°C Außentemperatur wurde es laut den betroffenen Passagieren auch im Flugzeug unangenehm kühl. Immerhin gab es Verpflegung aus einem örtlichen Schnellrestaurant, als das Catering an Bord knapp wurde.
Nach dem Eintreffen der Ersatzmaschine konnten die gestrandeten Passagiere dann immerhin nach Newark zurückgebracht werden, wo sie nach insgesamt 24 Stunden Reisezeit wieder ankamen.
Wie hat United die Situation gehandhabt?
Für den medizinischen Notfall und die Zwischenlandung in Goose Bay kann United natürlich nichts. Für ETOPS-Flüge über 180 MInuten und Polarflüge muss die Airline aber einen Passenger Recovery Plan haben. Ein solcher Plan beinhaltet Punkte zur Sicherstellung der Sicherheit und des Komforts der Passagiere sowie einen Plan zur zeitnahen Abholung der gestrandeten Fluggäste.
Da die Strecke von Newark nach Hongkong über die Arktik führt, sollte United also einen solchen Plan zumindest für die designierten Ausweichflughäfen gehabt haben. Ob Goose Bay dazugehört, weiß ich nicht, aber eine im Transatlantikverkehr so präsente Gesellschaft wie United wird Goose Bay sicherlich auf dem Schirm haben – vor allem angesichts der Tatsache, dass United erst vor drei Jahren zwei zeitgleiche Notlandungen in Goose Bay hatte, wo man sich mit der etwas missglückten Rettung der Passagiere blamierte.
Ob ich einen Rettungsflug, der vom nur 2000 km entfernten drittgrößten United-Hub gestartet ist und erst nach 16 Stunden dort ankam, noch als zeitnah beschreiben würde… Fairerweise muss man aber auch sagen, dass sich die Zwischenlandung erst mit der kaputten Tür zu einem Problem entwickelt hat, das eine Ersatzmaschine erforderlich machte. Zum Vergleich: Die Passagiere der damals mit einem schweren Triebwerksschaden in Goose Bay notgelandete Air France A380 mussten ähnlich lange warten. Bei Air France war die Notwendigkeit von Ersatzmaschinen schon sehr schnell klar, allerdings liegt der nächste Air France Hub etwas weiter entfernt von der kanadischen Atlantikküste als Newark, was die Sache zum logistischen Albtraum für Air France machte.
Für äußere Umstände wie medizinische Notfälle und geschlossene Zollkontrollen kann keine Fluggesellschaft der Welt etwas. Allerdings hätte ich erwartet, dass United es schneller schaffen würde, 250 gestrandete Passagiere zu einem nur 4 Stunden entfernten Hub zurückzuholen. Air France hat das damals weitaus besser gehandhabt.
Danke an aerotelegraph.com