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Warum steigen Passagiere immer von links in ein Flugzeug ein?

Air Canada A319 in Toronto

Der Boardingprozess ist, wenn man nicht gerade Priority Boarding hat, oft mit langem Anstehen und eventuellen Busfahrten verbunden. Vielleicht habt ihr euch beim Warten schon einmal gefragt, warum eigentlich immer von links geboardet wird – egal wo auf der Welt, egal ob an einem Gate mit Fluggastbrücke oder einem Busgate. Die Antwort ist einerseits banal, andererseits steckt auch ein wichtiger Gedanke dahinter.

Air Canada A319 in Toronto
Air Canada A319 in Toronto

Wer hat das eigentlich entschieden?

Eigentlich wäre es nämlich egal, ob man die Treppen oder Brücken rechts oder links andockt. Die heutige Regelung ist pure Konvention, deren Urprünge nicht ganz eindeutig zurückzuverfolgen sind. Schließlich hat sich die Fliegerei in vielen Ländern parallel entwickelt und wurde erst später mit der Gründung von Organisationen wie der International Civil Aviation Organization (IACO) standardisiert.

Tatsächlich gab es in den Anfangsjahren auch Flugzeugtypen, die nur auf der rechten Seite mit Türen ausgestattet waren. Dennoch hat sich die linke Flugzeugseite für das Boarding durchgesetzt. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass viele Flughäfen damals die Parkpositionen parallel zum Terminal definierten. So konnten die Flugzeuge eigenständig und ohne Pushback-Fahrzeuge wieder ausparken. Dieses Konzept findet sich übrigens noch heute an einigen Flughäfen wieder, beispielsweise in Sevilla. Da der Kapitän einer Maschine damals wie heute links sitzt, erschien es sinnvoll, die Türen links zu platzieren. So konnte der Kapitän den Abstand zwischen Flügelspitze und Terminalgebäude besser im Auge behalten. Hier seht ihr ein Bild vom Flughafen Tempelhof nach dem zweiten Weltkrieg, auf dem dieses System gut zu erkennen ist:

Fotoquelle: Tempelhof Projekt GmbH (www.thf-berlin.de)
Fotoquelle: Tempelhof Projekt GmbH (www.thf-berlin.de)

Andere Erklärungsversuche gehen davon aus, dass das System aus der Schifffahrt übernommen wurde. Im Englischen werden dort die Begriffe Port (Hafenseite bzw. auf Deutsch backbord) und Starboard (steuerbord) verwendet. Der Begriff steuerbord geht darauf zurück, dass das Steuerruder früher in der Regel rechts saß. Der Grund dafür ist simpel: Die meisten Menschen sind Rechtshänder. Das Ein- und Aussteigen erfolgte oft zwangsweise auf der linken Seite, da auf der rechten Seite das Steuerruder zwischen Kai und Schiff im Weg gewesen wäre. Später ging man dazu über, das Ruder mittig zu platzieren, aber die Begriffe sind geblieben. Für diese Theorie spricht auch, dass die Begriffe starboard und port bis heute auch in der Luftfahrt verwendet werden.

Könnte man ein normales Passagierflugzeug auch von rechts boarden?

Eingangs erwähnte ich, dass hinter dieser Konsistenz ein wichtiger Gedanke steckt: Durch die Standardisierung können Positionen von Handlingfahrzeugen genau definiert werden. Hier seht ihr schematisch eine Parkposition eines generischen Flugzeugs. Wichtig ist, dass Passagiere und Handling getrennt werden. Catering, Tanken und Gepäckbeladung erfolgen immer auf der Steuerbordseite, während Passagiere auf der Backbordseite einsteigen. Das erhöht einerseits die Sicherheit und andererseits die Effizienz der Prozesse, da so zum Beispiel auf Vorfeldpositionen ohne Brücke die Passagiere nicht den Gepäckfahrzeugen im Weg stehen.

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Im folgenden Bild seht ihr die verschiedenen Bereiche, die zu diesem Zweck definiert werden:

  • ERA/ASA: Aircraft Safety Area
  • ERL: Equipment Restriction Line
  • ESL/ESA: Equipment Safety Area
  • EPL/EPA: Equipment Parking Area
  • NPL/NPA: No Parking Area

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Hier handelt es sich um ein generisches Schaubild der spanischen Flughafenbetreibergruppe AENA. Die Details können in anderen Ländern variieren. Ihr seht aber, dass es die Infrastruktur eines Flughafens schon schwer macht, die Boardingseite je nach Flugzeugtyp zu wechseln.

Noch deutlicher wird es, wenn man sich das Ground Handling Schaubild eines Flugzeugtyps anschaut. Hier im Bild ist der A380, der auf drei Etagen gleichzeitig bedient werden muss: Cargo/Gepäck, Unterdeck und Oberdeck. Wie ihr seht, muss hier schon ein Cateringwagen auf die Backbordseite ausweichen, aber im Prinzip erfolgt die gesamte Versorgung über die Steuerbordseite. Dies spiegelt sich auch im Design des Flugzeugs wieder. Die entsprechenden Klappen und Anschlüsse existieren oft nur auf der vorgesehenen Seite. Oft ist es auch so, dass die für das Boarding genutzten Türen merklich größer sind als die, die für das Catering genutzt werden.

Fotoquelle: jardesign.org
Fotoquelle: jardesign.org

Fazit

Es ist schwer bis unmöglich, ein modernes Flugzeug auf einem normalen Flughafen einfach von rechts zu boarden (wenn man sich denn an die geltenden Sicherheitsbestimmungen halten will und den Prozess halbwegs effizient gestalten möchte). Die Ursprünge dieses Systems folgen allerdings keiner glasklaren Logik. Theoretisch könnte man auch von rechts boarden, genau wie man in Großbritannien auch auf der rechten Straßenseite fahren könnte. Die Umstellung wäre nur sehr teuer.

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