Warum werden alte Flugzeuge so oft zu Frachtern umgebaut?
Vielleicht habt ihr schon mal gelesen, dass Flugzeuge am Ende ihres Lebens als Passagierflugzeuge zu Frachtern umgebaut werden. Aber warum wird das überhaupt gemacht? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns die Betriebskosten und Einsatzprofile von Passagier- und Frachtmaschinen angucken.
Wie setzen sich die Betriebskosten eines Flugzeugs zusammen?
Es mag zunächst danach aussehen, dass der Kerosinverbrauch eines Flugzeugs der größte Kostenpunkt bei der Durchführung eines Fluges ist. Das ist aber nicht zwingend so. Die Betriebskosten setzen sich folgendermaßen zusammen:
- Kapitalkosten
- Personalkosten
- Treibstoffkosten
- Wartungskosten
- Landegebühren
- Flugsicherungsgebühren
- Abfertigungsgebühren
Die Gebühren werden in der Regel als Funktion der Größe und Umweltverträglichkeit (Emissionen und Lärm) des Flugzeugs berechnet. Große, alte Flugzeuge haben also in der Regel höhere Landegebühren als neue, kleine Flugzeuge.
Die Personalkosten sind für größere Flugzeuge in der Regel höher als für kleinere Flugzeuge. Je größer die Passagierkabine ist, desto mehr Flugbegleiter braucht man nämlich – für Frachter gilt das natürlich nicht. Größere Flugzeuge werden zudem häufig auf Langstrecken eingesetzt, was zusätzliche Personalkosten für einen eventuell benötigten dritten Piloten verursacht. Langstreckencrews können auch besser bezahlt sein als Kurzstreckencrews.
Die Wartungskosten des Flugzeugs hängen hauptsächlich vom Alter des Flugzeugs ab. Damit meine ich nicht zwingend das Alter in Jahren, sondern vielmehr das Alter in Flugzyklen und teilweise auch Flugstunden. Die Lebensdauer der Flugzeugstruktur misst man nämlich in Flugzyklen (ein Zyklus ist ein Start und eine Landung). Während viele Komponenten am Ende ihrer Lebensdauer einfach getauscht werden können, geht das bei der Struktur nicht so einfach. Dort werden dann aufwändige Instandhaltungsarbeiten und Strukturverstärkungen zur Verlängerung der Lebensdauer fällig.
Der Kerosinverbrauch pro Flugstunde ist über die Lebensdauer eines Flugzeugs mehr oder weniger konstant. Neuere Flugzeuge profitieren hier also stark von moderner Technologie, die in den Bau des Flugzeugs eingeflossen ist. Einige technische Neuerungen wie Winglets können zwar in alte Flugzeuge eingebaut werden, aber abgesehen davon werden neue Flugzeuge immer einen geringeren Kerosinverbrauch und damit geringere Treibstoffkosten haben.
Die Kapitalkosten entstehen durch den Einsatz von Eigenkapital oder die Beschaffung von Fremdkapital zur Finanzierung des Flugzeugs. Je günstiger der Anschaffungspreis eines Flugzeugs, desto geringer sind die Kapitalkosten. Auch hier gilt, dass ältere Flugzeuge aufgrund des Wertverlustes geringere Kapitalkosten haben. In jedem Fall verursacht ein abgezahltes Flugzeug keine Kapitalkosten.
Das Einsatzprofil bestimmt den richtigen Flugzeugtyp
Die oben genannten Kosten lassen sich in Fixkosten und variable Kosten unterteilen. Die Fixkosten (Personal- und Kapitalkosten) fallen immer in derselben Höhe an, egal wie viele Flüge durchgeführt werden. Die variablen Kosten hängen dagegen stark vom Einsatzprofil des Flugzeugs ab.
Beispielsweise wird der prozentuale Anteil der Landegebühren höher sein, je mehr Flugzyklen ich am Tag absolviere. Eine Langstreckenmaschine mag zwar pro Flug höhere Landegebühren haben, aber das Flugzeug landet eben auch nur einmal am Tag, während eine Kurzstreckenmaschine vielleicht sechs Landungen absolviert. Dasselbe gilt für die Treibstoffkosten: Je mehr Flugstunden ich fliege, desto höher wird der prozentuale Anteil der Treibstoffkosten sein.
Langstreckenflugzeuge absolvieren weniger Flugzyklen und altern daher nicht so schnell wie Kurzstreckenflugzeuge. Viele Netzwerkcarrier mit einem etablierten Langstreckengeschäft betreiben daher weiterhin recht alte Langstreckenflugzeuge, während die Kurzstreckenflotte in geringeren Abständen erneuert wird.
Schauen wir uns doch mal zwei sehr verschiedene EInsatzprofile an:
Kurzstreckenmaschine einer Low Cost Airline
Die Kurzstreckenflotte einer Low Cost Airline führt Punkt-zu-Punkt-Verbindungen durch und soll möglichst viele Stunden pro Tag in der Luft sein. Die Flotte sammelt viele Flugzyklen und Flugstunden. Die Airline möchte also die Gebühren und Treibstoffkosten möglichst minimieren und nimmt dabei auch höhere Kapitalkosten in Kauf. Die vielen Flugzyklen führen außerdem „schnell“ zu höheren Wartungskosten.
Im Vergleich dazu wird eine Netzwerkairline zwar ebenfalls die Gebühren und Treibstoffkosten minimieren wollen, aber nur zu einem bestimmten Grad. Die Flotte einer Netzwerkairline ist pro Tag nicht ganz so viele Stunden in der Luft, denn die Flüge sind meist in Wellen organisiert, d.h. ein Flugzeug kann auch mal eine oder zwei Stunden an einem Hub warten, damit alle Passagiere ihre Anschlussflüge bekommen.
Low Cost Airlines betreiben daher oft eine sehr junge Flotte, was auf den ersten Blick vielleicht etwas merkwürdig klingt. Netzwerkairlines möchten zwar auch junge Kurzstreckenflotten betreiben, sind aber nicht ganz so stark auf die geringeren Kerosinkosten angewiesen und haben daher auch ein paar ältere Flugzeuge in der Kurzstreckenflotte.
Frachtflugzeug eines Logistikkonzerns
Logistikkonzerne wie UPS, Fedex oder DHL haben ein völlig anderes Einsatzprofil für ihre Flugzeuge. Die Flugzeuge werden eigentlich nur für Übernachtlieferungen eingesetzt, stehen aber die meiste Zeit am Boden. Die D-AEAC, ein von EAT Leipzig für DHL betriebener Airbus A300, war in der letzten Woche nur 12 Stunden in der Luft. Das sind 1,7 Stunden pro Tag. Zum Vergleich: Ryanair nutzt die Flieger mehr als 11 Stunden pro Tag.
Deshalb sind alte Langstreckenflieger der ideale Flugzeugtyp für diese Konzerne. Die Maschinen haben sehr geringe Kapitalkosten und die höheren Kerosinkosten sind egal, denn so viel sind die Flieger nicht in der Luft. Die Maschinen absoliveren weniger Flugzyklen pro Jahr als Kurzstreckenflieger, weshalb ein 30 Jahre alter Langstreckenjet noch mehr Leben in sich hat als ein 30 Jahre alter Kurzstreckenflieger. Beim Umbau zu Frachtern können Strukturverstärkungen installiert werden, die die Lebensdauer des Flugzeugs nochmal erhöhen. Langstreckenflugzeuge haben außerdem eine hohe mögliche Zuladung, was Volumen und Gewicht der Fracht angeht.
Auch im Frachtfluggeschäft gibt es allerdings Bedarf an fabrikneuen Flugzeugen. Airlines wie Aerologic nutzen ihre Frachtflugzeuge nämlich für reguläre Langstreckendienste mit einer weitaus höheren Anzahl an täglichen Flugstunden, wo sich dann der Kerosinverbrauch stärker auf die Betriebskosten auswirkt.
Kurz zusammengefasst
Logistikkonzerne haben oft sehr andere Einsatzprofile für ihre Flotte als Airlines, die Passagiere transportieren. Diese Frachtflugzeuge sind nur wenig in der Luft und sollen daher vor allem geringe Kapitalkosten haben. Airlines wie Ryanair nutzen ihre Flugzeuge dagegen so viel, dass die vielen Flugzyklen die Wartungskosten beeinflussen und der Treibstoffverbrauch wichtiger ist als geringe Kapitalkosten.
guter Artikel