Wie Revenue Management funktioniert
In diesem Beitrag der Reihe Fliegen Erklärt möchte ich auf das Thema Revenue Management eingehen. Die Mitarbeiter des Revenue Managements beschäftigen sich damit, möglichst viel Umsatz aus den angebotenen Sitzplätzen rauszuholen. Das klingt erstmal simpel, ist aber gar nicht so einfach.
Warum Revenue Management?
Wäre es nicht einfacher, für jeden Sitzplatz zu jeder Zeit den gleichen Preis abzurufen? Das kann man zwar tun, damit entgehen der Airline aber einerseits Umsatz und andererseits Verkäufe. Wenn ich ein Ticket von Frankfurt nach Paris für 100€ anbiete, werden einige Passagiere das buchen. Unter diesen Passagieren gibt es aber einige, die bereit gewesen wären, viel mehr Geld für das Ticket zu bezahlen. Und dann gibt es noch potentielle Kunden, die zwar gerne nach Paris fliegen möchten, aber nicht bereit sind, 100€ auszugeben.
Das sieht man gut im folgenden Diagramm, das den Zusammenhang zwischen Ticketpreis und Nachfrage schematisch darstellt. Es gibt viel Nachfrage für günstige Tickets und relativ wenig Nachfrage für hochpreisige Tickets. Mit nur einem einzigen Ticketpreis entgeht der Airline auf der einen Seite aber Umsatz, denn ein paar Kunden wären bereit gewesen, mehr zu zahlen. Auf der anderen Seite entwischen der Airline potentielle Kunden, die das Ticket gerne zu einem niedrigeren Preis gekauft hätten.
Die Airline bietet daher mehrere Buchungsklassen an, um ihr Angebot möglichst nah an die Linie mit höchstem Umsatz heranzuführen. Im unten gezeigten Beispiel seht ihr die Buchungsklassen der Lufthansa Business Class. Die Kunst besteht darin, die richtige Anzahl an verfügbaren Sitzplätzen in den einzelnen Buchungsklassen zur Verfügung zu stellen, die richtigen Preise zu finden und die unterschiedlichen Kundenprofile dazu zu bringen, die für sie gedachte Buchungsklasse auch zu buchen (kaum jemand zahlt freiwillig mehr Geld, nur weil er sich es leisten könnte).
Wie funktioniert Revenue Management?
Daher bieten Airlines neben den verschiedenen Beförderungsklassen verschiedene Buchungsklassen mit unterschiedlichen Tarifen an. Die Buchungsklassen werden mit einem Buchstaben gekennzeichnet. Bei der Lufthansa gibt es zum Beispiel:
- First Class: A, F, O
- Business Class: C, D, I, J, Z, P
- Premium Economy Class: G, E, N, R
- Economy Class: Y, B, M, H, X, V, W, Q, S, K, L, T, U, K
Dabei sind O, I, R, X die Buchungsklassen für Prämienflüge. Bei den restlichen Buchungsklassen versucht man, die unterschiedlichen Kundenprofile abzubilden, um für jeden Kunden den passenden Preis anbieten zu können. So wird ein Geschäftsreisender bestimmte Flugzeiten, Umbuchbarkeit, kurzfristige Buchungen etc. haben wollen. Auch Mindestaufenthalte und Übernachtungen von Samstag auf Sonntag sind beliebte Wege, um Geschäftsreisende von Touristen und Low-Cost-Reisenden zu unterscheiden (ein Geschäftsreisender möchte nur ungern ein Wochenende an seinem Zielort verbringen).
Ein Beispiel ist der Lufthansa-Flug von Berlin nach Frankfurt. Wenn ich für nächsten Montag ein Ticket buchen möchte, könnte ich für 69€ am frühen Nachmittag fliegen – oder aber früh morgens für 334€ in einer teureren Buchungsklasse wie Y. Die frühen Abflüge am Montag bei kurzfristiger Buchung sind sicher bei Geschäftsreisenden beliebt, um rechtzeitig in Frankfurt ins Büro zu kommen.
Im Revenue Management der Fluggesellschaft sitzen je nach Größe der Airline eine größere Zahl an Mitarbeitern, die einerseits die Preise und andererseits die Verfügbarkeit der Buchungsklassen kontrollieren (Pricing and Inventory Management). Diese Mitarbeiter haben im meist ein paar zugewiesene Routen (im Langstreckenbetrieb wird oft auch zwischen Premium- und Non-Premium-Beförderungsklassen unterteilt), für die sie verantwortlich sind.
Je nach vorhergesehener Nachfrage können sie Buchungsklassen freischalten und blockieren. In nachfrageschwachen Monaten werden die günstigen Buchungsklassen wie K oder L dann länger offen gehalten und/oder mit mehr verfügbaren Sitzplätzen versehen. Für stark nachgefragte Flüge werden dann die günstigen Buchungsklassen stark begrenzt.
Hohe Nachfrage kann saisonal bedingt sein (Ferienziele, Feiertage wie Weihnachten etc.), aber auch durch Veranstaltungen entstehen. So gibt es sogar Mitarbeiter, die sich hauptsächlich mit dem Suchen von (etwas obskureren) Veranstaltungen beschäftigen. Oft sind es aber auch die Analysten selbst, die bei ungewöhnlich hoher Nachfrage auf einem ihrer Flüge Nachforschungen anstellen. Mit den Passagierdaten (insbesondere den hinterlegten Firmen-Email-Adressen) findet man schnell heraus, woher die Nachfrage kommt. Vom 12.09.-16.09. findet dieses Jahr zum Beispiel in Boston der World Congress on Pain statt. Diese Veranstaltung wird man als Nicht-Mediziner wohl kaum auf dem Schirm haben, erhöht aber die Nachfrage in diesem Zeitraum entsprechend. Die Analysten können dann mit diesen Informationen ihre Preise und Verfügbarkeiten anpassen.
Außerdem befinden sich die Fluggesellschaften häufig in stark umkämpften Märkten. Bei vielen Sales kommt die Frage auf, ob die anderen Allianzen mitziehen – und häufig tun sie das. Mittlerweile ist der Preiskampf mit den Low-Cost-Airlines wie Norwegian auch auf der Langstrecke angekommen, mit denen beispielsweise British Airways ab London konkurrieren muss.
Die Leistung einer Strecke wird dann an gewissen Key Performance Metrics gemessen. Wichtig ist der Umsatz an sich, die angebotene Kapazität, das Verkaufsvolumen (Passagiere), der Yield (durchschnittlicher Ticketpreis der Passagiere), der Sitzladefaktor (RPK/ASK) und der RASK. Die RPK (Revenue Passenger Kilometers) sind die Anzahl der Passagiere mit bezahltem Ticket multipliziert mit der Strecke in Kilometern, über die sie befördert werden. Die ASK sind die Available Seat Kilometers, also die ursprünglich zum Verkauf angebotenen Sitzplätze multipliziert mit der Strecke in Kilometern. Der RASK ist der Umsatz dividiert durch die ASK. Diese Parameter werdet ihr oft in Jahresberichten und Statistiken sehen, da sie wichtige Indikatoren für die wirtschaftliche Performance des Flugbetriebs sind.
Wann ist der Ticketpreis am günstigsten?
Im Internet kursieren viele „Tipps“, wie man den günstigsten Flug findet. Während sich durchaus Beobachtungen zum Preisniveau machen lassen (das ist ja in gewisser Weise der Job der Analysten der Airlines), sind Aussagen wie „Dienstags ist es am günstigsten!“ und „Immer sofort buchen, wenn der Flugplan veröffentlicht wird!“ schicht falsch.
Für die zweite Aussage habe ich ein lustiges Gegenbeispiel, das mir ein Bekannter aus der Revenue Management Abteilung einer großen europäischen Airline erzählt hat. Man muss sich nämlich der Tatsache bewusst sein, dass deren Aufgabe nicht das Füllen des Flugzeugs mit Passagieren ist, sondern den größtmöglichen Umsatz aus den Ticketverkäufen zu erzielen. Bei besonders nachfragestarken Wochen wie Weihnachten und Ostern werden daher zunächst die Vorjahresdaten analysiert, um möglichst genaue Vorhersagen über die Nachfrage treffen zu können. Da die meisten Airlines ihre Flüge zwischen 330 und 365 Tage im Voraus freischalten, sind diese Analysen zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht abgeschlossen.
Eine sehr beliebte Maßnahme ist in diesem Fall das „Protecten“ eines Fluges. Dabei werden erstmal nur sehr teure Buchungsklassen freigeschaltet, um zu verhindern, dass das Flugzeug mit zu vielen günstigen Tickets gefüllt wird. Erst wenn man weiß, wie viele Tickets erwartungsgemäß in den günstigen Klassen verkauft werden, werden diese dann auch freigeschaltet. Ein Beispiel gefällig? Über Weihnachten und Silvester 2018/2019 von Madrid nach New York, wo insgesamt fünf Airlines Direktflüge anbieten, gibt es einen Anbieter, der ohne ersichtlichen Grund preislich überhaupt nicht konkurrenzfähig ist: United.
Und siehe da, der Flug bucht in Q, was Discount Economy entspricht. Die wirklich günstigen Tickets buchen in K, L etc. (Deep Discount Economy). Ich würde wetten, dass der Flug noch günstiger wird.
Für die Airlines ist es immer ein Drahtseilakt, da man den Flug weder overprotected (zu teure Tickets, kein Kunde bucht den Flug) noch underprotected (zu billige Tickets, man hätte mehr Geld aus den Ticketverkäufen holen können) lassen möchte.
Die generell günstigsten Tickets gibt es bei speziellen Sonderaktionen wie den Iberia Subastas (Madrid nach Los Angeles für 270€ gefällig?). Billiger dürfen die Analysten ihre Tickets nämlich nicht anbieten. Ansonsten gilt: Eine gewisse Zeit im Voraus sollte man schon buchen, da die meisten günstigen Tarife nur bis etwa 2-3 Wochen vor Abflug gebucht werden können. Abgesehen von Sonderaktionen und eventuell „umkämpften“ Daten gibt es aber kaum Gründe, um mehr als 4-8 Wochen im Voraus zu buchen.
Wie ihr seht, ist das Revenue Management ein recht spannendes Thema, von dem man auch als Kunde mal gehört haben sollte, um die Ticketpreise zu verstehen.
Interessant zu lesen, aber das ist nicht wirklich neu, Insiderwissen v revenue Mitarbeiter wäre interessanter, das ist eher Allgemeinwissen und steht vielleicht sogar in Wiki…
Bei diesen Themen muss ich leider immer sehr genau abwägen, was ich in einem öffentlichen Blog-Post schreiben darf. Ich stimme dir in der Hinsicht zu, dass die Anekdoten und das Insiderwissen der Analysten nochmal viel interessanter sind als meine selbst herausgesuchten Beispiele. Insbesondere die Methoden, die bei der Nachfrageanalyse eingesetzt werden, finde ich sehr spannend. Da ist die Analyse der hinterlegten Email-Adressen nur der Anfang. Darüber schreiben darf ich allerdings nicht.
Aber ob Airline Revenue Management nun zum Allgemeinwissen gehört… 😉