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Aeroplan, das kanadische Topbonus?

Air Canada Maple Leaf Lounge London Heathrow

Air Canada verkaufte vor etwa zehn Jahren sein Vielfliegerprogram, welches sich seitdem im Besitz von Aimia befindet. Unter dem Namen Aeroplan betreibt Aimia das Kundenbindungsprogramm mit einem Vertrag bis Juni 2020. Vor etwa einem Jahr teilte Air Canada mit, den Vertrag nicht verlängern zu wollen.

Air Canada 787
Air Canada 787

Diese Nachricht war für Aeroplan/Aimia natürlich katastrophal, aber aus Air Canadas Sicht ist der Schritt nachvollziehbar. Zum Zeitpunkt des Verkaufes war Air Canada finanziell angeschlagen, der Verkauf des Loyalitätsprogramms brachte frisches Geld in die Kassen. Air Berlin ging mit dem Verkauf von Topbonus an Etihad einen ähnlichen Weg (auch wenn Etihad den Berlinern damals wahrscheinlich notfalls auch 300 Mio. € an Schokoherzen abgekauft hätte). Vielfliegerprogramme sind für gewöhnlich sehr profitabel. Da Air Canada sich mittlerweile wieder erholt hat, ist es nur logisch, das Programm wieder ins eigene Haus zu holen.

Heute wurde eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der über ein Kaufangebot informiert wird. Air Canada möchte Aeroplan für einen Kaufpreis von 250 Mio. Dollar übernehmen. Außerdem sollen die bestehenden Meilen und die daraus resultierenden Verpflichtungen im Wert von 2 Mrd. Dollar übernommen werden.

Die meisten von uns wird diese Nachricht eher peripher tangieren – was interessiert uns ein kanadisches Vielfliegerprogramm? Nun, irgendwie musste ich beim Lesen der Pressemitteilung die ganze Zeit an Topbonus denken…

Ein Vielfliegerprogramm ohne Airline?

Auch Topbonus sah sich mit der Herausforderung konfrontiert, ein Vielfliegerprogramm ohne dazugehörige Airline weiterzubetreiben. Nach der Insolvenz von Air Berlin wurde Topbonus noch bis in den April 2018 weitergeführt. Mit Millionen von Mitgliedern hatte das wiederbelebte Topbonus zwar einen gewissen Startvorteil, aber die entscheidende Frage war die der Partner. Topbonus konnte zwar ein paar Partner wiedergewinnen und auch einige neu an Bord holen, aber irgendwie fühlte sich das Programm seit der Insolvenz von Air Berlin schon tot an.

Topbonus Pop-Up Shop
Topbonus Pop-Up Shop

Topbonus erlitt durch das Insolvenzverfahren einen großen Imageschaden. Außerhalb des Ökosystems „Lufthansa/Miles & More/Payback“ existierten in Deutschland ohnehin nur wenige Loyalitätsprogramme. Die Kombination „Air Berlin/Topbonus/Deutschland Card“ war zwar durch den Marktanteil der Fluggesellschaft recht erfolgreich, aber aus meiner Sicht eben auch nur deshalb. Topbonus hatte schon vor der Insolvenz (abgesehen von den üblichen Mietwagen- und Oneworld-Partnern) eher Partner aus der zweiten Reihe (Payback vs. Deutschland Card etc.) oder wurde beispielsweise vom Leserservice der Deutschen Post gefühlt zweitrangig behandelt. Die neuen Partner Germania und Condor waren dagegen für ein Loyalitätsprogramm schon fast drittklassig. Wie viel Loyalität erwartet man sich von Kunden einer Airline, die hauptsächlich Ferienflüge für Pauschaltouristen anbietet?

Hier wäre Aeroplan vielleicht in einer etwas besseren Situation, denn die Firma befindet sich im Gegensatz zu Topbonus nicht in einem Insolvenzverfahren, was das Vertrauen in bestehende Partnerschaften abseits von Air Canada stärken sollte. Nach dem Vertrag hindert Aeroplan nichts daran, die Kooperation mit anderen Fluggesellschaften, Hotels und Mietwagenfirmen fortzusetzen – oder andere Partner dazuzuholen. Gerade bei den Bodenpartnern hätte Aeroplan viel Freiheit. Durch Aeroplans aktuelle Marktmacht in Kanada wären sicherlich auch einige Fluggesellschaften an einer Partnerschaft interessiert. Eventuell erhoffen auch bisherige Konkurrenten außerhalb der Star Alliance, sich so neue Kunden zu gewinnen. Mit WestJet und den in der kanadischen Arktis operierenden First Air und Canadian North gäbe es in Kanada noch potentielle Airline-Partner.

Das große Problem wäre die Konkurrenz durch das neue Vielfliegerprogramm Air Canadas, das vor allem mit einem trumpfen kann: Der Zugehörigkeit zu Air Canada. Aeroplan würde wohl kaum eine Partnerschaft mit Air Canada sichern können, geschweige denn Statusvorteile usw. anbieten können. Air Canada würde mit dem neuen Loyalitätsprogramm sofort ein neues Schwergewicht in den Ring werfen. Das neue Programm würde das Sammeln und Einlösen von Meilen auf Flügen mit Air Canadas größter Airline erlauben und Statusvorteile für Air Canada Flüge und für Flüge mit Star Alliance Mitgliedern anbieten. Damit würde wahrscheinlich zunächst ein ziemlich heftiger Konkurrenzkampf entstehen.

Air Canada 787 Business Class
Air Canada 787 Business Class

Warum möchte Air Canada Aeroplan kaufen?

Auch wenn solch ein Konkurrenzkampf für Verbraucher wohl positiv wäre, wäre er aus Sicht Air Canadas kostspielig und angesichts der bisherigen Partnerschaft auch irgendwie unnötig. Ein Rückkauf des Vielfliegerprogramms könnte allein aus diesem Grund schon wirtschaftlich sinnvoll sein.

Außerdem würde man den bestehenden Kunden ein Signal der Stabilität geben. Verständlicherweise sind viele Kunden über die Zukunft ihrer Meilen und Statusvorteile besorgt. Apropos Kunden: Den Zugriff auf die Daten der 5 Millionen Mitglieder möchte Air Canada gerne behalten, was im Falle einer Trennung schwierig werden dürfte.

Für Aeroplan ist die Situation etwas komplizierter. Natürlich hätte man wahrscheinlich am liebsten eine Vertragsverlängerung gesehen. Die Ankündigung Air Canadas, den Vertrag nicht zu verlängern, war für Aimia/Aeroplan desaströs. Andererseits scheint Aeroplan inzwischen tatsächlich einen Plan für die Zeit danach zu haben, den man mit dem Feedback der bestehenden Kunden in den kommenden Jahren noch optimieren kann.

Fazit

Auch wenn es ein riskanter Schachzug wäre, würde Aeroplan gegen Air Canada aus meiner Sicht tatsächlich eine Chance haben – abhängig vom Verhandlungserfolg mit bestehenden und neuen Partnern. Das kann sicherlich nur Aeroplan selbst beurteilen, aber mit Topbonus haben sie immerhin ein Negativbeispiel, das analysiert werden kann. Ich bin gespannt, ob Aeroplan das Übernahmeangebot annimmt.

 

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