Eindrücke aus Bilbao

Im Frühjahr hatte ich die Gelegenheit, die Stadt Bilbao im Norden Spaniens zu erkunden. In diesem Beitrag möchte ich meine Eindrücke aus Bilbao teilen, wie ich es in diesem Jahr schon so oft gemacht habe. Das Format gefällt mir bisher gut, da ich diese Beiträge auch unabhängig von größeren Reiseberichten veröffentlichen kann.

Zur Geschichte Bilbaos

Bilbao ist die Hauptstadt der Provinz Bizkaia (spanisch Vizcaya). Bizkaia bildet zusammen mit den Provinzen Gipuzkoa und Álava die autonome Region Euskadi (Baskenland). Da im Baskenland sowohl Spanisch als auch Baskisch offizielle Amtssprachen sind, sind viele Ortsbezeichnungen zweisprachig verfügbar. Auch Bilbao selbst hat noch einen baskischen Namen, der im Stadtbild immer wieder zu sehen ist und den einen oder anderen Tolkien-Fan schmunzeln lassen dürfte: Bilbo.

Zwar ist Bilbao mit 350.000 Einwohnern die größte Stadt der autonomen Region, doch die Hauptstadt des Baskenlandes ist Vitoria-Gasteiz. Dennoch ist Bilbao in vielerlei Hinsicht die bedeutendste Stadt der Region: Dank des Hafens und der Schwerindustrie entwickelte sich Bilbao im 19. Jahrhundert zur Hauptstadt der baskischen Wirtschaft, was den Handel und vor allem das Bankenwesen förderte. Noch heute ist Bilbao mit der Banco Bilbao Vizcaya Argentaria (BBVA) auf dem spanischen Heimatmarkt und in Amerika im Finanzsektor stark aufgestellt.

Wie viele europäische Industriestädte litt auch Bilbao ab den 70er Jahren am Strukturwandel. Über viele Jahre wurde die Stadt von hoher Arbeitslosigkeit und einem Image als dreckige, hässliche Schmuddelstadt geplagt. Es gelangt aber, die Wirtschaft zu diversifizieren und die Stadt dank der weniger auf Schwerindustrie fokussierten Wirtschaftszweige attraktiver zu machen. Wie auch in Medellín war die Anbindung bisher etwas abgeschotteter Stadtteile essenziell für die Transformation. Neben dem berühmten, von Frank Gehry entworfenen Guggenheim-Museum holte man sich sogar für den Ausbau der U-Bahn mit Norman Foster einen weltbekannten Architekten an Bord.

Das Stadtbild Bilbaos

Viele Leute verbinden mit Spanien einen speziellen Architekturstil. Spanien ist aber kulturell sehr divers, was sich auch im Stadtbild widerspiegelt. So ist Bilbao als nordspanische Stadt ganz anders als Barcelona, Madrid oder Sevilla – die unter sich auch sehr verschieden sind.

Zwar gibt es auch in Bilbao „typisch spanische“ Gebäude wie dieses, das ich beim Überfliegen meiner Fotos kurz mit einem Platz in Palma de Mallorca verwechselte:

Generell ist Bilbao aber eher vergleichbar mit anderen europäischen Städten an der Atlantikküste wie Nantes oder auch Bristol, wenn auch mit einem deutlichen spanischen Touch. Der Fluss Ría de Bilbao teilt die Stadt in zwei Hälften, die sich wirtschaftlich und sozial unterscheiden. Durch die Schwerindustrie und Arbeiterviertel wird das linke Ufer als weniger wohlhabend gesehen.

Im Stadtzentrum kommt man gut zu Fuß zurecht. Meiner Ansicht nach hat man bei der Stadt- und Straßenplanung eine gute Balance gefunden, sodass sich eigentlich alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt fühlen dürften. Es gibt genug Platz für Busse, Fahrräder und Fußgänger, ohne dass sich Autofahrer auf den Fuß getreten fühlen dürften.

Durch das küstennahe Wetter, den Fluss und die Straßenbahn hat mich Bilbao besonders stark an Nantes erinnert.

Kunst und Kultur

Beide Uferseiten sind tolle Orte für einen Spaziergang und sind mit diversen Kunstinstallationen versehen.

Selbst die Zubizuri (weiße Brücke) kann als Kunstinstallation gesehen werden.

Besonders interessant wird es natürlich in der Nähe des Guggenheim-Museums, das auch ein paar Ausstellungsstücke auf dem Vorplatz zu stehen hat. Es lohnt sich auf jeden Fall auch für weniger kunstbegeisterte Touristen, dieses Museum zu besuchen. Allein schon die Architektur des Museumsgebäudes ist faszinierend. Im Innern gibt es eine Vielzahl an Exponaten, die neben traditionellen Kunstformen z.B. auch auf audiovisuelle Elemente setzen. Besonders überrascht war ich von dem abgedunkelten Tunnel, durch den man durchlaufen konnte. Der Tunnel war mit Federn und anderen weichen Materialien ausgehangen, um so unsere in Museen weniger oft genutzten Sinne zu stimulieren.

Baskische Unabhängigkeit

Ich versuche mich auf meinem Blog aus politischen Themen herauszuhalten, aber wenn man über Bilbao schreibt, muss man auch über die Unabhängigkeitsbewegung schreiben.

Wie viele Regionen in Spanien wurde das Baskenland in das kastilische Königtum eingegliedert. Neben dem offiziellen kastilischen Spanisch existieren daher im heutigen Spanien viele Regionalsprachen wie Galizisch oder Baskisch. Da die Basken als sehr traditionsbewusst und stur gelten, verwundert es nicht, dass sie schon immer großzügige Autonomierechte besaßen. Gerade diese Autonomierechte sind in Spanien immer wieder Grund für Diskussionen, auch zwischen verschiedenen Autonomen Regionen, wenn diese sich ungleich behandelt fühlen.

Während der Franco-Diktatur wurden Regionalsprachen und -kulturen nach Möglichkeit unterdrückt und durch die Ansiedlung von Nicht-Basken im Baskenland weiter untergraben. Der Widerstand gegen diese Politik mündete schließlich in der Gründung der ETA, die durch ihre terroristischen Aktivitäten europaweit bekannt wurde. Selbst nach der Rückkehr zur Demokratie und Autonomie wurden weiter Anschläge verübt, um die baskische Unabhängigkeit voranzutreiben.

Zwischen 2005 und 2007 wurde mit der ETA-Führung über einen möglichen Waffenstillstand verhandelt. Die Gespräche blieben ergebnislos, allerdings konnte man mit der Hilfe der französischen Kollegen immer mehr Fandungserfolge vorweisen. Die Gruppierung löst sich 2018 offiziell auf. Dennoch hat die Unabhängigkeitsbewegung im Baskenland weiterhin einen starken Rückhalt und bekommt durch die andauernde Krise in Katalonien weiteren Aufwind. Mit 58% der Stimmen haben mit der EAJ-PNV (konservativ) und der EH Bildu (links) die Befürworter der baskischen Unabhängigkeit eine deutliche Mehrheit im Baskischen Parlament.

Kritiker werfen den Unabhängigkeitsbefürwortern oft vor, von innenpolitischen Problemen ablenken zu wollen. Gerade Katalonien schneidet beispielsweise im Korruptionsranking sehr schlecht ab, wobei immer wieder Parteien und Politiker der Unabhängigkeitsbewegung in Skandale verwickelt waren (z.B. Caso Pujol, Caso Palau). Zwar hat ganz Spanien mit Korruptionsskandalen zu kämpfen, aber in den Statistiken schneidet besonders Katalonien nicht gut ab.

Fazit

Bilbao ist eine interessante Stadt mit einem im Vergleich zum für viele deutsche Urlauber typischen Spanien sehr anderen Flair. In Bilbao selbst hat man an einem Wochenende alles gesehen, was es zu sehen gibt. Dafür ist der Norden Spaniens landschaftlich und auch kulturell wunderschön, und für eine längere Reise ist Bilbao auch dank des Flughafens der ideale Ausgangspunkt.