Review: Sri Lankan Railways 2. Klasse von Colombo nach Galle
Dieser Beitrag ist kein Review im klassischen Sinne. Eigentlich hatte ich gar nicht vor, über diese Zugfahrt zu schreiben. Da ich diese aber so erfrischend anders fand, kam mir die Idee, ein kleines Review im Stile eines Beitrags wie „Review: Air Berlin A330 Business Class New York nach Düsseldorf“ zu schreiben. Bitte nicht allzu ernst nehmen 😉
Zugnummer: 8056 (Galu Kumari)
Route: Colombo (Maradana) – Galle
Abfahrt: 14:15
Ankunft: 16:45
Fahrtzeit: 2:30h
Eisenbahntyp: Gute Frage…
Reiseklasse: 2. Klasse
Bis auf ein paar Air-Taxi-Services gibt es in Sri Lanka kaum Inlandsflüge. Im Jahr 2013 wurde in Mattala ein zweiter internationaler Flughafen eröffnet, der sich aber inzwischen als große Investitionsruine entpuppt hat. Auf der Insel bewegt man sich am besten per Zug oder Bus.
So ganz modern wie bei Flixbus und DB darf man sich das aber nicht vorstellen. Immerhin gibt es auf der Internetseite der staatlichen Eisenbahn Fahrpläne und Fahrpreisinformationen. Die Website ist optisch nicht mehr ganz frisch, aber leicht zu bedienen. Jedenfalls sollte mein Zug um 14:15 in Colombo-Maradana losfahren. Laut den Einheimischen sind große Verspätungen keine Seltenheit, was nicht gerade Vertrauen erweckte.
Um vom flughafennahen Hostel zur Eisenbahnstation zu kommen, hätte man natürlich ein Uber nehmen können. Im Gegensatz zu Tuk-Tuks dürfen diese auf der Autobahn fahren und haben in der Regel eine Klimaanlage. Interessanterweise ist Uber nicht einmal teurer, aber leider fast ausschließlich in der Nähe des Flughafens zu finden. Da eine Holländerin aus dem Hostel aber auch zum Bahnhof fahren musste und ihr Surfbrett aus Erfahrung nicht in die Uber-Fahrzeuge passt, teilten wir uns eben ein Tuk-Tuk. Die knapp 60-minütige Fahrt war mit etwa 10€ (bzw. 5€ pro Person dann) übrigens knapp 10 mal so teuer wie die zweieinhalbstündige Bahnfahrt. Diese kostet mit 180 LKR in der 2. Klasse weniger als 1€.
Tickets werden direkt am Bahnhof verkauft. Eine 1. Klasse gibt es auf der Strecke nach Galle nur an bestimmten Tagen und zu bestimmten Uhrzeiten. Dort wären dann auch Reservierungen möglich und das Abteil kann tatsächlich auch ausverkauft sein. In der 2. und 3. Klasse dagegen wird solange verkauft wie Nachfrage da ist. Da hängen dann eben im Zweifelsfall Fahrgäste aus der Tür.
Als ich einen anderen wartenden Fahrgast fragte, wo denn die Waggons der 2. Klasse halten, meinte dieser nur: „Recht mittig vom Zug, aber man weiß nie so wirklich, wo genau der Zug hält.“ Aha. Dann klärte er mich noch darüber auf, dass Fahrgäste der 3. Klasse zwar nicht in die Waggons der 2. Klasse gehen dürfen, es sonst zwischen diesen Serviceklassen aber keinen großen Unterschied geben würde.
Gegen 14:10 wurde dann (natürlich nicht auf Englisch) durchgesagt, dass der Zug auf dem Bahnsteig gegenüber einfahren würde. So schnell habe ich eine derart große Menschenmenge auch noch nie einen Bahnsteig wechseln sehen. Immerhin sollte das wohl heißen, dass der Zug pünktlich abfahren würde.
Tatsächlich fuhr die 50er-Jahre-Lokomotive laut meiner Uhr um 14:13 in den Bahnhof ein. Was dann folgte, nenne ich mal sri-lankisches Priority Boarding. Da es keine Sitzplatzreservierungen gab, begann die Zugreise mit einem Kampf um die Sitzplätze, den ich leider verlor. Der Zug hatte noch nicht einmal angehalten, da sprangen die ersten Fahrgäste schon auf. Besonders beeindruckend war der ältere Herr, der seinen Gehstock kurzerhand zu einem Enterhaken umfunktionierte, mit dem er sich am offenen Fenster festhakte und zum Trittbrett der Tür hochzog – an einem noch fahrenden Zug wohlgemerkt.
Andere nutzten ihre Gepäckstücke als Rammböcke, Schilde und dergleichen. Ich versuchte mich mit der Masse zu bewegen, war aber zu erstaunt über das Treiben um mich herum, um aktiv mitzumischen. Schließlich geht es in Sri Lanka ansonsten durchaus geordnet sowie mit Respekt und Freundlichkeit zu. Die Eisenbahn ist anscheinend eine Oase des ungeordneten Chaos inmitten einer Welt, in der man es erfolgreich geschafft hat, das Chaos geordnet zu koordinieren. Irgendwie bekam ich dann noch ein mir nicht unbekanntes Surfbrett an den Kopf geknallt. Andere schaffen es wohl schneller, sich zu integrieren. Mir blieb dann nichts anderes übrig, als mich auf meinen Koffer zu setzen. Mit dem Platz am Fenster wäre ich an sich auch nicht unzufrieden gewesen, wäre direkt gegenüber nicht die Bordtoilette gewesen.
Der Zug fuhr tatsächlich pünktlich los und hielt noch einmal in Colombo Fort, wo noch ein paar Touristen einstiegen, die dann kampflos ihre Stehplätze einnahmen. Die beeindruckend langsame Spitzengeschwindigkeit von 50 km/h erklärte dann auch, warum man für die knapp 130 km nach Galle zweieinhalb Stunden braucht. Dazu kommt noch, dass selbst der Expresszug in recht kleinen Nestern hält.
In diesen kleineren Bahnhöfen gibt es dann einen Station Master, der in seinem sehr hübschen Bahnhofsgebäude sogar ein Aquarium zu stehen hat. Wieso auch nicht. Immer wieder liefen Verkäufer durch den Zug, die kleine Snacks wie Obst oder Süßigkeiten anboten. Ob diese nun direkt von Sri Lanka Railways angestellt sind oder eher geduldete Straßenhändler sind, weiß ich nicht.
Durch die Nord-Süd-Autobahn sind die Busse mit eineinhalb Stunden Fahrzeit viel schneller als der Zug. Noch dazu bekommt man garantiert einen Sitzplatz und ein klimatisiertes Fahrzeug. Öfter fahren sie auch noch. Warum dann also den Zug nehmen?
Die Zugfahrt belohnt mit wunderschönen Aussichten, die man im Bus nicht bekommt. Die Bahntrasse verläuft nämlich direkt an der Westküste der Insel. Immer wieder sieht man wunderschöne Strände, Wälder und Gewässer. Da die Dörfer teilweise sehr nah an die Eisenbahnschienen gebaut worden sind, bekommt man auch sehr interessante Einblicke in das Leben der sri-lankischen Bevölkerung. Aus der recht langsam fahrenden Bahn kann man immer wieder in Privatgärten und teilweise sogar in die Häuser der sri-lankischen Mittelschicht schauen. Teilweise fühlt man sich wie ein Stalker, aber wer eine vollverglaste Fassade in zwei Metern Abstand zur Eisenbahnschiene baut…
Immer mal wieder kamen Schaffner durch die Waggons gelaufen, um die Tickets zu kontrollieren. Die Trennung zwischen 2. und 3. Klasse war streng, ähnlich wie das mit Business Class und Economy Class gehandhabt wird. Die Schaffner sehen durch ihre Uniform allerdings eher aus wie Militärpolizisten. Im Bild sieht man auch sehr schön, dass eigentlich auch die Züge eine Klimaanlage haben (wenn man die nur teilweise funktionierenden Ventilatoren an der Decke als Klimaanlage bezeichnen will). Durch den Fahrtwind ist es im Zug aber in der Tat nicht allzu warm.
Im letzten Abschnitt der Strecke leerte sich der Zug dann etwas. Nach zwei Stunden eingeengtem Sitzen tat etwas Frischluft und Stehen dann sehr gut. In einer eleganten Mischung aus Titanic und stereotypischem indischen Fahrgast lehnte ich mich dann auch halb aus der Tür. Mit der Seeluft, dem Sonnenschein und dem rhythmischen Klopfen der langsam drehenden Räder kam ein angenehmes und beruhigendes Gefühl der Entschleunigung auf. Diese Entschleunigung findet man selbst in der tollsten Business Class im Flugzeug nicht. Meine Erinnerung an diese Zugfahrt ist durch diesen Moment geprägt und nicht etwa durch das Chaos am Anfang oder den schlechten Zustand der Waggons. Dieses Gefühl bekommt man in Europa kaum noch.
Aber auch Sri Lanka wird immer touristischer. Nach dem bis 2009 andauernden Bürgerkrieg hat sich das Land stabilisiert und zieht immer mehr ausländische Investitionen an. Dazu gehört auch touristische Infrastruktur wie große internationale Hotelketten. Nach dem Fiasko mit dem Flughafen in Mattara scheint sich auch die Regierung mehr auf Straßen und Eisenbahn zu konzentrieren. Der moderne Nord-Süd-Highway wird immer noch nach Norden erweitert. Ich denke, auch bei der Eisenbahn werden wir im nächsten Jahrzehnt noch große Investitionen sehen.
Auf YouTube gibt es einige sehr interessante Videos, wie sich Sri Lanka seine Zukunft vorstellt. Neben der Autobahn gehören dazu ein moderner ÖPNV mit BRT-Systemen und Hochgeschwindigkeitszügen, die Nutzung alternativer Energiequellen, die Säuberung der Insel von den angesammelten Müllbergen sowie ein moderneres Colombo mit Hochhäusern und mehr Grünflächen. Ein Pessimist sieht darin im besten Fall große Träume, aber tatsächlich sieht man in Colombo erste moderne Hochhäuser. Die Autobahn ist auch längst Realität. Und erst letzte Woche hat die Regierung verkündet, dass man als Pilotprojekt 50 elektrische Autobusse für das geplante BRT-System in Colombo kaufen werde. Auch sieht man besonders in Colombo eine für mich erstaunliche Anzahl an Toyota Prius im Straßenbild. Es tut sich also sichtbar etwas in Sri Lanka…
Das genaue Gegenteil sieht man in Galle, meinem Fahrtziel an diesem Tag. Das alte holländische Fort ist eine sehr malerische Touristendestination mit viel Geschichte und schönen Stränden. Wer das erkunden möchte, sollte zumindest für die Hinfahrt den Zug nehmen. Nur für die Erfahrung.