Steigt Lufthansa in das Wettbieten um Norwegian ein?
Im April verkündete IAG, die Mutter von British Airways und Iberia, dass sie eine Minderheitsbeteiligung von 4,61% am Low Cost Carrier Norwegian erworben hatten. IAG würde Norwegian am liebsten ganz übernehmen, ist aber bereits mit zwei Übernahmeangeboten gescheitert. Nun kommen Gerüchte auf, dass auch Lufthansa Interesse an einer Übernahme hätte.
Wieso ist IAG an Norwegian interessiert?
IAG ist der Mutterkonzern von British Airways, Iberia, Aer Lingus, Vueling und LEVEL. Norwegian ist ein stark expandierender Low-Cost-Anbieter, der schon länger erbittert mit IAGs Vueling konkurriert. Spätestens seit dem Start der Norwegian-Langstreckendienste ab London-Gatwick befindet sich auch British Airways selbst im Kampf um Marktanteile. Mit den neu aufgenommenen Langstreckenverbindungen ab Madrid wird selbst Iberia angegriffen.
Bisher hat sich IAG hauptsächlich über Vueling und Kosteneinsparungen beim eigenen Produkt gewehrt. Letztes Jahr wurde mit LEVEL dann eine eigene Billigtochter für die Langstrecke gegründet. Anscheinend ist man jetzt an einem Punkt angekommen, an dem man den unangenehmen Konkurrenten Norwegian am besten aufkauft. Eventuell könnten LEVEL, Vueling und Norwegian zu einer Airline fusioniert werden. Gerade Vueling hat nicht gerade den besten Ruf.
Mit den vielen Slots, die Norwegian in Gatwick besitzt, könnte British Airways dort die Präsenz weiter steigern. Norwegian fliegt ab Gatwick nach Austin, Boston, Buenos Aires, Chicago, Denver, Fort Lauderdale, Los Angeles, New York-JFK, Oakland, Orlando, Seattle/Tacoma und Singapur. Weiterhin werden viele europäische Ziele bedient. Diese Slots wären für British Airways sehr wertvoll, da auch Gatwick zunehmend Kapazitätsprobleme bekommt.
Norwegian zu Lufthansa?
Lufthansa hat mit Eurowings ebenfalls eine stark wachsende Billigtochter, die nicht zuletzt durch die Pleite von Air Berlin ihre Marktanteile auch auf der Langstrecke ausbauen konnte. Eurowings operiert aber fast ausschließlich aus Deutschland und Österreich, wo Norwegian weniger stark präsent ist.
Das Projekt Eurowings war ja von Beginn an eher als paneuropäische Plattformlösung gedacht, die von anderen Airlines (quasi als Franchisenehmer) genutzt werden kann. Für Eurowings fliegen mittlerweile Airlines wie die aus der insolventen Air Berlin herausgekaufte LGW und die belgische Brussels Airlines. Norwegian könnte der erste bedeutende Schritt einer europaweiten Expansion der Marke Eurowings werden.
Lufthansa-CEO Carsten Spohr äußert sich in der Süddeutschen Zeitung eher vage zu dem Thema:
„Es steht eine weitere Konsolidierungswelle an. Das heißt, dass wir auch mit Norwegian in Kontakt stehen“, sagte Lufthansa-Chef Carsten Spohr der Süddeutschen Zeitung. Ob dann eine Übernahme stattfinde, sei „eine Frage des strategischen Mehrwertes, des Preises und der wettbewerbsrechtlichen Möglichkeiten“.
Ob Lufthansa tatsächlich an Norwegian interessiert ist, ist nicht sicher. Eventuell geht es der Lufthansa hier auch eher darum, den Übernahmepreis für IAG hochzutreiben. Für IAG dürfte Norwegian momentan der unangenehmste Konkurrent sein.
Norwegian gilt als finanziell angeschlagen. Die Airline setzt weiterhin auf massives Wachstum, fliegt aber hohe Verluste ein. Eine Übernahme gilt daher als wahrscheinlich. Zwar konkurrieren die Norweger momentan hauptsächlich mit IAG, aber auch für Air France/KLM und Lufthansa könnte die Fluggesellschaft interessant sein. IAG, Air France/KLM und Lufthansa sind die drei führenden europäischen Netzwerkcarrier, die seit ein paar Jahren mit gut gefüllten Kriegskassen, aber mit unterschiedlichem Erfolg auch im Billigfliegersegment um Marktanteil kämpfen.
Fazit
Es wird immer wahrscheinlicher, dass Norwegian nicht mehr lange unabhängig bleibt. Für Verbraucher sind das erstmal schlechte Nachrichten, aber zumindest für die Briten dürfte Lufthansa als Käufer wohl das geringere Übel sein – dann würde Norwegian immerhin noch im Wettbewerb mit British Airways stehen.
Danke an OMAAT.
