| | |

Wieso gehen zurzeit so viele europäische Airlines pleite?

Air Berlin

Nach Germania ist mit flybmi nun schon die zweite europäische Airline in diesem Jahr insolvent. Die vergangenen zwei Jahre waren für den Luftverkehrsmarkt in Europa nicht einfach; selbst Ryanair meldete für das dritte Quartal 2019 einen Verlust in Höhe von 20 Mio. €. Aber was sind eigentlich die Herausforderungen, mit denen die Airlines zu kämpfen haben?

Air Berlin
Air Berlin

Die folgenden vier Punkte sind die Dinge, die mir persönlich ins Auge stechen (nicht unbedingt in Reihenfolge).

1. Brexit

Der Elefant im Raum, wenn man so möchte, ist sicherlich der Brexit. Zwar sind nicht alle EU-Airlines direkt davon betroffen, aber einige Airlines haben stark damit zu kämpfen. Flybmi hat den Brexit sogar direkt für die Insolvenz verantwortlich gemacht:

The airline has faced several difficulties, including recent spikes in fuel and carbon costs, the latter arising from the EU’s recent decision to exclude UK airlines from full participation in the Emissions Trading Scheme. These issues have undermined efforts to move the airline into profit. Current trading and future prospects have also been seriously affected by the uncertainty created by the Brexit process, which has led to our inability to secure valuable flying contracts in Europe and lack of confidence around bmi’s ability to continue flying between destinations in Europe.

Die großen Probleme sind laut flybmi die durch den Brexit entstandene Planungsunsicherheit um Beförderungsrechte sowie der Ausschluss britischer Airlines vom Emissionshandel. Was die Beförderungsrechte angeht, haben auch andere Airlines wie Easyjet und sogar die spanische Iberia Probleme.

Anflug auf London
Anflug auf London

Laut einer Studie der IATA haben die wirtschaftlichen Auswirkungen des Brexits insgesamt negative Folgen auf die Nachfrage nach internationalen Flugverbindungen in Großbritannien. Durch den Wertverlust des Pfunds sind zwar Reisen nach Großbritannien für Ausländer günstiger, allerdings wird diese erhöhte Nachfrage übertrumpft von den Auswirkungen auf britische Urlauber, die sich insgesamt weniger Reisen ins Ausland leisten können.

In der Studie heißt es, dass die langfristigen Auswirkungen stark vom Brexit-Abkommen abhängen und nicht in allen Bereichen negativ sein müssen. Momentan sind jedoch nur die kurzfristigen Effekte, allen voran der Währungsverfall, spürbar. Monarch und flybmi sind vom Markt verschwunden und Flybe hätte es auch fast erwischt.

2. Kerosin, Terrorismus und andere Einflüsse von außen

Der zweite Punkt trifft eigentlich alle europäischen Airlines. Die Kerosinpreise sind im letzten Jahr nach etwa zweieinhalb Jahren konstanter Preissteigerungen stark eingebrochen. Das als Problem zu bezeichnen, ist nicht ganz intuitiv, aber letztendlich kann jede Veränderung des Kerosinpreises schlecht sein.

Die meisten Airlines betreiben nämlich Fuel Hedging. Hedging ist ein Absicherungsvertrag gegen Preisschwankungen, den Airlines gerne nutzen, um sich den Risiken eines schwankenden Kerosinpreises weniger stark auszusetzen. Bei plötzlichen Preiseinbrüchen kann man sich aber auch ganz schön verspekulieren. In Zeiten steigender Preise werden gerne Calls oder Swaps gekauft. Call-Optionen erlauben der Airline, in einem festgelegten Zeitraum eine definierte Menge an Kerosin zu einem festen Preis zu kaufen. Swaps sind ähnlich wie Calls, nur dass die Airline das Kerosin dann kaufen muss.

Wenn man z.B. Fuel Hedging mit Swaps betreibt und dann der Kerosinpreis auf einmal fällt, bezahlt man plötzlich zu viel für Kerosin, da man ja vertraglich verpflichtet ist, eine bestimmte Menge Kerosin zu einem höheren Preis zu kaufen. Das kann ein kurzfristiger Wettbewerbsnachteil sein, wenn die Konkurrenz mit ihrer Hedging-Strategie mehr Erfolg hatte. Schwankende Kerosinpreise sind zwar eigentlich nie der Hauptgrund für eine Airlineinsolvenz. können aber dazu beitragen.

Katalanischer Nationalfeiertag, Barcelona
Katalanischer Nationalfeiertag, Barcelona

Weiterhin hat Europa in den letzten Jahren unter einer Vielzahl an Terrorattacken gelitten, was die Nachfrage z.B. an Städtetrips sinken ließ. In Barcelona ist durch das Unabhängigkeitsreferendum der Tourismus eingebrochen. In einst beliebten Urlaubsländern wie Ägypten oder der Türkei haben die politischen Entwicklungen der vergangenen Jahre einen negativen Einfluss auf den Tourismus gehabt. Ferienflieger, die in diesen Märkten eine große Präsenz hatten (z.B. Condor), sind davon besonders betroffen.

3. Die Golf-Carrier

Die Golf-Carrier (Emirates, Qatar und Etihad) sind inzwischen Schwergewichte im internationalen Luftverkehrsmarkt. Da viele europäische Länder noch Protektionismus gegenüber diesen Ländern/Airlines betreiben, haben sich besonders Etihad und Qatar neue Methoden einfallen lassen, um Einfluss und Marktanteile in Europa zu gewinnen. Diese Einmischung der Golf-Carrier geht nicht immer positiv aus – besonders in Italien ist die Lage momentan schwierig.

Qatar Airways 787
Qatar Airways 787

Etihad kaufte sich vor ein paar Jahren bei diversen kränkelnden Airlines ein, um sich so Umsteigepassagiere nach Abu Dhabi befördern zu lassen. Air Serbia scheint zwar zumindest auf dem Papier keine totale Fehlinvestition zu sein, allerdings waren Air Berlin und Alitalia bekannterweise Milliardengräber. Das aus Abu Dhabi vorgeschriebene Geschäftsmodell behinderte in beiden Fällen die wirtschaftliche Genesung der beiden Carrier. Als Etihad den Stecker zog, gingen sofort die Lichter aus.

Alitalia befindet sich zwar eigentlich seit ihrer Gründung in einer Art Dauerinsolvenz, könnte jetzt aber wirklich sterben müssen. Qatar Airways hat in Meridiana investiert, diese in Air Italy umbenannt und versucht nun, Alitalia aus dem Markt zu drängen. Es wird sich zeigen, wie nachhaltig das Geschäftsmodell von Air Italy ist, aber eins steht fest: In Italien geht es momentan ordentlich ab.

4. Fragwürdige Geschäftsmodelle, zu schnelle Expansion, Flugzeugprobleme

Apropos Geschäftsmodell: Das lief ja auch bei Air Berlin nicht ganz rund. Die Berliner sind aber nicht die einzigen, die sich mit ihrem Geschäftsmodell am Markt nicht durchsetzen konnten. Der Luftverkehrsmarkt ist extrem umkämpft, sodass sich Airlines immer neue Nischen suchen. Manche sind damit erfolgreich, wie La Compagnie, die Transatlantikflüge mit der Business Class als einziger Serviceklasse anbietet.

Norwegian 737
Norwegian 737

Andere Airlines scheitern aber: JetSmarter verkauft freie Sitzplätze in Privatfliegern, hat sich aber aus Europa schnell wieder zurückgezogen. Primera Air hat versucht, Low-Cost-Transatlantikflüge anzubieten. Die Auswahl der Verbindungen war aber etwas seltsam und war letztlich auch nicht profitabel. Selbst Norwegian, deren kapitalintensive, massive Expansion endlich Erfolge zu bringen schien, befindet sich auf einmal in Schieflage. Dazu hat auch beigetragen, dass sich die Norweger immer noch in Preiskämpfen mit IAG, Lufthansa und Air France/KLM befinden, die jetzt mit LEVEL, Eurowings und Basic-Tarifen dagegenhalten.

Dazu kommen noch Probleme mit Flugzeugen und Flugzeugauslieferungen. Die Boeing 787 hatte im letzten Jahr wieder Triebwerksprobleme, was z.B. Norwegian schwer getroffen hat. Bei der A320neo-Serie kam es zu Lieferproblemen und Verzögerungen, was unter anderem Germania und Primera Air zu schaffen machte.

Fazit

Eigentlich gibt es (vielleicht bis auf den Brexit und die Überexpansion/den Preiskrieg der Low-Cost-Airlines) keine riesigen Probleme wie zum Beispiel der 11. September oder eine weltweite Wirtschaftskrise.

Manche Airlines werden allerdings derzeit von vielen kleinen Problemen gleichzeitig getroffen. Das Finanzpolster ist nicht bei allen Airlines groß genug, um diese Schwankungen abzufedern. Es fällt auf, dass viele betroffene Airlines die guten Jahre dazu genutzt hatten, um kostspielige Programme wie Flottenerneuerungen oder große Expansionen zu verwirklichen, und dann kurzfristig zu wenig Liquidität hatten.

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.