| |

Wieso werden Krisengebiete in der zivilen Luftfahrt nicht konsequent gemieden?

British Airways 747

Heute haben iranische Behörden bestätigt, was in den westlichen Medien schon seit Tagen berichtet worden ist: Das iranische Militär hat die Boeing 737 der Ukraine International Airlines versehentlich abgeschossen. Sicherlich gilt es jetzt auch zu untersuchen, wie man eine Boeing 737, die sich auf einer normalen Abflugroute vom größten Flughafen des Landes befand, mit einem Marschflugkörper verwechseln kann. Mir stellt sich allerdings auch die Frage, warum denn Krisengebiete überhaupt über- bzw. angeflogen werden, zumal die Luftfahrtbrache ja in allen anderen Bereichen so viel in die Sicherheit investiert.

Air New Zealand Boeing 787, Paine Field
Air New Zealand Boeing 787, Paine Field

Wer entscheidet, wo man fliegen darf?

In erster Linie entscheidet die ausführende Airline, wo das Flugzeug hinfliegt und wie die Route im Detail aussieht. Dabei müssen zwei Restriktionen zwingend befolgt werden:

  • Die Airline braucht die Genehmigung der zuständigen Behörden, um den Luftraum der jeweiligen Länder zu benutzen (siehe Five Freedoms of Aviation). Eine Luftfahrtbehörde kann dabei Teile ihres Luftraums sperren, entweder permanent (z.B. Militär, Naturschutz) oder temporär (z.B. Sonderveranstaltung, Vulkanausbrüche, etc.).
  • Auch der Eigentümer des Flugzeugs darf mitreden. Als Leasinggeber darf der Eigentümer strengere Regeln als die Behörden auflegen, z.B. aus Angst, dass sein Flugzeug in bestimmten Ländern gepfändet wird oder in einer Krisenregion abgeschossen wird. In der Regel sind solche Dinge im Leasingvertrag geregelt.

Behördliche Einschränkungen sind dabei recht lasch. Man muss verstehen, dass behördlich verbindliche Sperrungen im Normalfall von der Luftfahrtbehörde des betroffenen Landes kommuniziert werden. In den vergangenen Jahren hat sich gezeigt, dass man den eigenen Luftraum nur sehr zögerlich aus solchen Gründen sperrt (auch der Luftraum in der östlichen Ukraine war noch offen, als MH 17 abgeschossen wurde). Einerseits gesteht man mit einer Vollsperrung quasi einen kompletten Kontrollverlust über seinen eigenen Luftraum ein, andererseits sind Überflug- und Landegebühren nicht zu vernachlässigende Einnahmen, die zudem in Devisen gezahlt werden. Die UN-Behörde ICAO bietet dazu eine Plattform an, auf der die jeweiligen Landesbehörden freiwillig Informationen zu Konfliktzonen hochladen können.

Ryanair 737
Ryanair 737

Dennoch gibt es natürlich unabhängigere Quellen, die diesbezüglich Empfehlungen herausgeben können. Beispielsweise hat die europäische Luftsicherheitsbehörde EASA vor drei Tagen empfohlen, den irakischen Luftraum zu meiden. Diese Empfehlungen sind nicht verbindlich, werden aber z.B. in einigen Leasingverträgen als verpflichtend deklariert. Diese Empfehlungen werden als Conflict Zone Information Bulletins veröffentlicht. Interessanterweise ist dort aber selbst nach dem Abschuss von PS 752 nichts über den Iran zu lesen. Natürlich können Luftfahrtbehörden den Airlines ihres eigenen Landes auch verbindliche Überflugverbote für fremde Lufträume ausstellen (die amerikanische FAA macht das zum Beispiel), aber in Europa ist das nicht so üblich.

Da Airlines natürlich auch an der Sicherheit ihrer Flüge interessiert sind, können diese sich jederzeit freiwillig dazu entscheiden, bestimmte Lufträume zu meiden oder bestimmte Ziele nicht mehr anzufliegen. So fliegt die Lufthansa Group vorerst nicht mehr nach Teheran. Gerade größere Airlines tragen diese Informationen aus verschiedenen Quellen zusammen und bilden sich ihre eigene Meinung, andere Airlines lassen sich dazu extern beraten und dann gibt es sicherlich noch eine ganze Menge an Fluggesellschaften, die das gar nicht interessiert.

Was kann verbessert werden?

Das Problem ist in erster Linie ein Kommunikationsproblem. Das zu lösen, ist sicherlich nicht einfach. Die zentrale ICAO-Plattform ist zwar nett gemeint, aber die Tatsache, dass diese Informationen freiwillig preisgegeben werden, ist ja das eigentliche Problem.

Gerade bei westlichen Airlines mit eigentlich hohen Sicherheitsstandards stellt sich mir allerdings die Frage, warum die angewandten Strategien in diesem Bereich so reaktiv sind. Klar, längere Routen kosten mehr Geld, Flüge streichen kostet auch Geld, aber auch hier sollte die Sicherheit an erster Stelle stehen. Ein positives Beispiel an dieser Stelle scheint British Airways zu sein, die schon vor der MH17-Katastrophe den Luftraum in der östlichen Ukraine gemieden haben und zum Beispiel im Juli 2019 Flüge nach Kairo wegen Sicherheitsbedenken temporär ausgesetzt haben. Aber das Gesamtbild sieht doch eher traurig aus.

Ich hoffe doch sehr, dass diesbezüglich ein Umdenken stattfindet und mehr Airlines proaktiver handeln. In Europa darf man da von behördlicher Seite aus leider nicht so viel erwarten.

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.